In den letzten Wochen haben Remote-Verfahren einen wahren Boost erfahren. Viele Anbieter, deren Dienstleistungen bisher eher im Präsenzbereich angesiedelt waren, stellen vermehrt auf Online-Verfahren um. In Angesicht dieser Allgegenwärtigkeit von Online- oder Remote-Verfahren fragen Anbieter und Kunden nun berechtigterweise – Wie effektiv sind Online-Verfahren wirklich?
Auch wir haben uns diese Frage schon vor einiger Zeit gestellt. Um eine fundierte Antwort liefern zu können, haben wir also eine Meta-Analyse über unterschiedliche Studien hinweg durchgeführt, die verschiedene Online-Formate untersuchten.
In diesem Artikel möchten wir die Effektivität von Online-Verfahren unter die Lupe nehmen, indem wir Ihnen die Kern-Erkenntnisse unserer Untersuchung vorstellen.
Um das Ganze für Sie in die Praxis zu überführen, nimmt Alexander Fritz (Mitglied der Geschäftsleitung bei Profil M) in einem kurzen Interview Stellung zu den Erkenntnissen und erklärt Ihnen, welche Faktoren wichtig sind, um Ihre Online-Verfahren zu einem Erfolg zu machen.
Unsere Studie
Im Rahmen unserer Meta-Analyse haben wir uns, neben unseren eigenen Erfahrungen, empirische Studien und Artikel der letzten Jahre angeschaut, die sich ihrerseits mit der Validität und Effektivität von Remote-Trainings und -Assessments auseinandersetzen. Die zentralen Argumente, die wir mit Ihnen teilen möchten, adressieren die häufigsten Bedenken, wie
- Qualität der Ergebnisse und Nachhaltigkeit des Lernerfolgs,
- Akzeptanz und Engagement der Teilnehmer,
- Aufmerksamkeitsdauer der Teilnehmer und Interaktionsqualität in den Gruppen und mit Beobachtern
- sowie die Möglichkeit zur Schaffung einer Vertrauensbasis und Netzwerken
Generell lässt sich sagen, dass Online-Verfahren eine hohe Effektivität nachgewiesen werden kann. Die Wirksamkeit und Effektivität von virtuellen Auswahlprozessen und Interventionen können weitestgehend bestätigt werden.
Virtual Assessment
Schaut man sich die Validität und Effektivität von Virtual Assessments an, lässt sich zunächst der Schluss ziehen, dass diese effektiv sind. Konkret heißt das, dass oftmals die richtigen Kandidaten ausgewählt werden konnten. Die Studien zeigen klar: Unbewusste Biases und daraus resultierende Verzerrungen im Auswahlprozess können reduziert und die Genauigkeit von Online-Verfahren somit bestätigt werden. Auch kann die valide Einschätzung von sozialen und kognitiven Kompetenzen in der virtuellen Lernumgebung bestätigt werden (Howland et al., 2015). Rollensimulationen weisen dabei eine höhere Validität in der Beobachtung von sozialen Kompetenzen auf (Hasler, 2009 ). Darüber hinaus lässt ein robustes Design nicht nur Objektivität und Chancengleichheit zu, sondern ermöglicht auch eine erhöhte Konsistenz in der Durchführung und Bewertung.
Die Qualität der Verfahren und Ergebnisse kann somit eindeutig bestätigt werden.
Auch wird deutlich, dass Teilnehmer durch ein höheres Maß an Fokussierung und weniger Ablenkungen viel Engagement und Aufmerksamkeit während der Verfahren zeigten. Die Möglichkeit, einen interaktiven und ansprechenden Erfahrungsraum zu gestalten, erlaubt zudem eine höhere Akzeptanz seitens der Teilnehmer.
Über die gängigen Bedenken hinaus ist die Frage nach den Kosten sicherlich auch ein relevanter Punkt. Hier haben die Studien gezeigt, dass Virtual Assessments durchaus eine gesteigerte Kosteneffizienz für Unternehmen aufweisen, da oftmals der logistische Aufwand entfällt und teils sogar weniger ACs durchgeführt werden müssen.
Wenngleich Virtual Assessments als sehr valide und effektiv bezeichnet werden können, so gibt es im virtuellen Raum, durch die Technik bedingte, einschränkende Faktoren. Wenn technische Hürden aufkommen, so stehen diese einer „natürlichen“ und flüssigen Interaktion im Wege. Dazu gehört auch, dass Netzwerken, wie zum Beispiel durch ein Vier-Augen-Gespräch in den Pausen, kaum in den virtuellen Raum übersetzt werden kann. Nichtsdestotrotz kann durch die Sicherstellung eines psychologisch sicheren Rahmens eine gute Vertrauensbasis hergestellt werden, die einen offenen Austausch erlaubt.
Virtual Training & Coaching
Auch virtuelle Trainings und Coachings werden nicht mehr nur noch für die Vermittlung von Wissen genutzt. Die Studien zeigen, dass Virtual Trainings schon längst für die Vermittlung von Softskills oder tiefergehender Reflektion genutzt werden.
Ein spannendes Resultat war, dass die Teilnehmer von Online-Trainings ihren Lernerfolg höher einschätzten, als in klassischen Trainings. Wobei dies durchaus darin begründet sein mag, dass im Rahmen von Virtual Trainings häufiger auch begleitende Maßnahmen stattfinden, die die Lernerfahrung zu einer Development Journey werden lassen und somit einen größeren Lernerfolg mit sich bringen.
Die Bedenken hinsichtlich Akzeptanz und Engagement gegenüber Online-Verfahren lassen sich unter anderem durch die Studie von Gehrman und Koch (2007) entkräften. Hier fand man heraus, dass die Akzeptanz bei lernerzentriertem Trainingsdesign klar vorhanden ist. Tatsächlich konnten in dieser Studie sogar konkrete Befürchtungen, wie eine mögliche Hilflosigkeit, Einsamkeit oder Orientierungslosigkeit der Teilnehmer widerlegt werden.
Auch das Argument, dass im virtuellen Raum die Möglichkeiten zur Interaktion begrenzt sind, lässt sich wissenschaftlich nicht bestätigen. Durch eine Vielzahl an Tools und Programmen , lassen sich klassische Trainingsformate, wie Kleingruppenarbeiten, Einzelreflektionen oder auch spielerische Elemente, durchaus auch im Virtual Training abbilden.
Überraschend war auch, dass der Lernerfolg und die Qualität der Ergebnisse durch den Abbau von sozial-emotionalen Barrieren, wie zum Beispiel eine geringere Beeinflussung durch ein negatives Gruppenklima oder eine gleichmäßigere Integration aller Teilnehmer, sogar zunehmen (Geißler, 2007). Wobei der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung sowie die Herstellung von Nähe generell nicht als schwierig wahrgenommen wurden (Friesenhah & Tayler, 2013).
Schließlich lässt sich auch in diesem Kontext eine erhebliche Kostenersparnis und effizientere Nutzung von Ressourcen festhalten (Howland, et al., 2015), die Virtual Training und Coaching attraktiv machen.
Grundsätzlich zeigt unsere Auswertung, dass Online-Verfahren auf Basis des aktuellen Forschungsstandes und bei guter Konzeption ganz eindeutig qualitativ hochwertig und effektiv sind.
Best Practices und Learnings aus der Wissenschaft
Die Frage, die sich nun stellt, ist allerdings, wie man die Bedenken in der Praxis adressiert, sodass sie bei der Durchführung tatsächlich nicht zum Tragen kommen.
Um diese Frage zu beantworten, haben wir Alexander Fritz zu seinen Best Practices und Erfolgsfaktoren für Virtual Assessment und Trainings, bzw. Coaching befragt.
Was ist bei der Konzeption von Online-Verfahren zu beachten?
Grundsätzlich ist es so, dass die Basis eines jeden Online-Verfahrens eine saubere Bedarfsanalyse ist. So können lernerzentrierte Verfahren designt und eine möglichst hohe Akzeptanz der Teilnehmer gewährleistet werden.
Außerdem ist es notwendig, klare Zielstellungen zu ermitteln. Nur so kann der Lernerfolg tatsächlich messbar gemacht werden. Ein Tracking und die Möglichkeit, die Verfahren kontinuierlich zu verbessern, tragen maßgeblich zur Validität der Verfahren bei.
Schließlich ist auch die Auswahl passender Tools und Instrumente sehr wichtig. Durch diese Methodenvielfalt werden Interaktion und Austausch gefördert.
Da ein Online-Verfahren in der Durchführung einige Besonderheiten aufweist, lässt sich ein Präsenzverfahren oder -training nicht eins zu eins in ein Remote-Verfahren übersetzen. Entsprechend gilt es, Inhalte und Übungen remotefähig zu designen. Auch das trägt zu einer erhöhten Aufmerksamkeitsdauer und Interaktionsqualität bei.
Was ist bei der Durchführung von Online-Verfahren zu beachten?
Bei der Durchführung von Online-Verfahren legen wir großen Wert darauf, eine vertrauensvolle Umgebung zu schaffen. Ein Kennenlernen, ausführliches Briefen und eine wertschätzende Atmosphäre sind nicht nur im Präsenztraining wichtig, sondern vor allem auch auf die Distanz in einem Remote-Verfahren. Denn nur so können nachhaltige Lernerfahrung, Austausch und sogar längerfristiges Netzwerken möglich gemacht werden.
Dies gilt auch für das Vertrauen in die technische Umgebung. Diese schulen wir für die Teilnehmer aktiv, damit die Technik keine Barriere mehr darstellt und Interaktion und Kommunikation so realitätsgetreu wie möglich ablaufen können.
Ein ganz pragmatischer Hinweis betrifft die Pausen. Online-Verfahren haben Erfahrungsgemäß eine andere Intensität als Präsenz-Verfahren. Die intensive Bildschirmarbeit und der höhere Fokus führen dazu, dass die Teilnehmer schneller ermüden. Um also das Engagement und die Aufmerksamkeit auf einem hohen Level halten zu können, ist es absolut wichtig, in kürzeren Abständen Pausen zu machen und dazu einzuladen, diese aktiv (z.B. mit kleinen Dehnübungen) zu gestalten.
Welche Anforderungen ergeben sich durch diese Formate an Trainer und Diagnostiker?
Grundsätzlich gelten im virtuellen Raum die gleichen Anforderungen, die auch im analogen Raum gelten. Ein Trainer verfügt optimalerweise über fundierte Fach- und Methodenkenntnisse, um Entwicklungsräume für die Teilnehmer zu schaffen, die wiederum nachhaltigen Impact sicherstellen.
Spezieller sollte ein Trainer oder auch Diagnostiker, der Online-Verfahren durchführt, eine gewisse technische Affinität mitbringen und die Tools beherrschen. So können möglichst reibungslose Abläufe sichergestellt und eine zielkongruente Methodenvielfalt gewährleistet werden.
Aber auch ein persönlicher Faktor, nämlich der der Resilienz, sollte durchaus stark ausgeprägt sein. Durch die Technik können natürlich Probleme entstehen, aber auch die Dynamik in einer Gruppe oder mit einem Teilnehmer kann durchaus herausfordernd sein. Mit diesen Themen sollte ein Trainer oder Diagnostiker souverän umgehen können.
Hilfreich im Umgang mit diesen Herausforderungen, aber auch schlicht, um ein gutes Online-Verfahren durchführen zu können, ist virtuelle Sozialkompetenz – Kommunikation, Struktur und das Schaffen von Vertrauensräumen, sind im virtuellen Raum mindestens genauso wichtig, wie im analogen Alltag.
Was sind also unterm Strich die Must-Haves für ein erfolgreiches Online-Verfahren?
Unterm Strich kann ich Ihnen folgende Erfolgsfaktoren mitgeben:
Bauen Sie Vertrauen zu Ihren Teilnehmern auf. Zeigen Sie ehrliches Interesse an Ihrem Gegenüber, teilen Sie auch etwas von sich und zeigen Sie Kompetenz. Wenn diese Faktoren gegeben sind, fällt es den Teilnehmern viel leichter sich zu öffnen.
Schaffen Sie ein Klima der Psychologischen Sicherheit. Sei es im Training oder im Assessment, Psychologische Sicherheit ist der Grundbaustein für effektive Zusammenarbeit.
- Verwechseln Sie Psychologische Sicherheit nicht mit einem harmonischen Umfeld. Denn tatsächlich ist es absolut notwendig, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren und relevante Feedbacks zwar wertschätzend, aber auch klar zu vermitteln.
- Machen Sie selbst ein paar Erfahrungen. Trauen Sie sich, selbst an einem Online-Assessment oder -Training teilzunehmen, um die Perspektive der Teilnehmer besser zu verstehen und gleichzeitig mögliche Herausforderungen rechtzeitig zu erkennen.
- Generell zeigen die Teilnehmer virtueller Verfahren schon eine hohe Akzeptanz und Engagement während der Durchführung. Steigern ließe sich das Ganze, indem sie aktiv in den Konzeptionsprozess eingebunden werden – durch Co-Creation werden die Inhalte noch zielgruppen- bzw. anforderungsspezifischer.
Fazit
Neben ganz pragmatischen Gründen der Kostenersparnis und effizienter und nachhaltiger Nutzung von Ressourcen zeigt unsere Meta-Analyse, dass virtuelle Assessment-Center und Online-Trainings und -Coachings echte Wirksamkeit und eine hohe Validität erzielen.
Tatsächlich können Online-Methoden und herkömmliche Präsenz-Methoden bezüglich ihrer Wirksamkeit und ihres Effekts als fast gleichwertig betrachtet werden. Natürlich gibt es einige Themen und Erfahrungen, die der virtuelle Raum nicht gleichermaßen lebendig abbilden kann. Dafür empfehlen wir smarte Development Journeys, in denen synchrone und asynchrone, Präsenz- und virtuelle Verfahren miteinander verwoben werden.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg beim Design Ihrer Online-Verfahren und gerne stehen wir Ihnen bei der Konzeption Ihrer virtuellen Verfahren als erfahrener Sparringspartner und Berater zur Seite.
Sprechen Sie uns an!